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So sehr verschwindet der Krieg aus der Berichterstattung

Morgen ist der Unabhängigkeitstag der Ukraine. Gleichzeitig markiert der Tag sechs Monate Angriff auf die Ukraine durch Russland. Es wird seitdem viel darüber diskutiert, inwiefern die Berichterstattung zum Krieg nachlässt und inwieweit diese fehlende Berichterstattung der Ukraine schadet. Denn für die Ukraine ist die Berichterstattung überlebenswichtig. Ohne weitere Berichterstattung gibt es potentiell weniger Waffenlieferungen und ohne diese Waffen kann sich die Ukraine wohl nur sehr schwierig weiter verteidigen. An eine Rückeroberung der bisher verlorenen Gebiete ist ohne weitere Waffen wohl kaum zu denken.

Putin vs. Selenskyj

Der ukrainische Präsident hat mit seiner Präsenz zu Beginn des Krieges seinem osteuropäischen Land vermutlich stark geholfen. Seine täglichen Video-Updates sind noch immer sehr präsent in den Medien und sichern ihm und der Landesverteidigung große Aufmerksamkeit. Seit dem Angriff auf sein Land ist er jeden Tag medial präsent, was vor dem Überfall quasi gar nicht der Fall war. Insbesondere seine Rede im Bundestag am 17.03. hat zu vielen Artikeln geführt, allerdings wohl auch aufgrund des fragwürdigen Übergangs zur Tagesordnung.

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Trotz dieser medialen Aufmerksamkeit wird der russische Präsident Putin in unserem Datensample beinahe 2,5 mal häufiger erwähnt als der ukrainische Präsident. Aber der Fokus auf den stärksten Mann im Kreml nimmt seit Kriegsbeginn stetig ab, während Selenskyj annähernd konstant bei den Erwähnungen in den Überschriften und Teaser-Texten bleibt. Dies ist aus ukrainischer Sicht auf jeden Fall begrüßenswert.

Die Berichterstattung allgemein

Ähnlich sieht es bei der Anzahl der Artikel über den Krieg allgemein aus. Zu Beginn des russischen Überfalls gab es die meisten Artikel. Mit zunehmender Dauer nahm allerdings auch die Berichterstattung ab. Die sinkende Aufmerksamkeit für das Thema wurde seitdem, insbesondere auf Twitter, heiß diskutiert. Fest steht: Eine sinkende Aufmerksamkeit für die Ukraine sorgt dafür, dass der Krieg auch aus den Köpfen der deutschen Bevölkerung Schritt für Schritt verschwindet. Dann gibt es immer weniger Druck auf die Politik für weitere Waffenlieferungen und der Support für die Ukraine schwindet. Das wäre eine sehr schlechte Entwicklung für die Ukrainerinnen und Ukrainer, da auch ihr Leid aus der wahrnehmbaren Welt verschwinden würde.

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Zwar nimmt die Berichterstattung seit dem 24. Februar ab, allerdings scheint sich eine Art Plateau gebildet zu haben. Zu beachten ist, dass sich das Plateau allerdings langsam immer weiter verringert. Die Abnahme der Artikel pro Woche wird im nächsten Diagramm dargestellt. Zu Beginn des Krieges in der 7. Kalenderwoche stieg die Berichterstattung stark an. Seitdem sinkt die Anzahl der neuen Artikel hingegen, mit ein paar wenigen Ausnahmen, stetig. Aus ukrainischer Sicht ist der einzige positive Aspekt, dass die Rate der Abnahme nicht zunimmt.

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Die Anzahl der Aufmacher

Der Aufmacher ist die oberste Position auf einer Nachrichtenseite. Die Artikel dort werden von der Redaktion als am wichtigsten angesehen und dort werden die meisten Leserinnen und Leser erreicht. Der Krieg in der Ukraine ist auch dort sehr präsent. Seit dem Kriegsausbruch waren ungefähr 23,32 % aller Aufmacher mit Bezug zum Krieg. Damit ist dieses Thema äußerst dominant. Allerdings nimmt auch dort die Berichterstattung ab und das Plateau schmilzt sehr schnell ab. An einigen Tagen gibt es jetzt weniger Aufmacher als im Februar vor dem Krieg!

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Das Thema verliert also zunehmend an Relevanz für die Publisher und andere Themen verdrängen den Krieg. Statt das Leiden in der Ukraine journalistisch aufzuarbeiten, verlagert sich die Debatte immer weiter auf die Auswirkungen, die der Krieg in Deutschland hat.

Andere Themen nehmen zu

Der Krieg selbst wird immer weniger Thema in den Artikeln. Vielmehr übernehmen jetzt die Debatten um die Gas- und Energiekrise als Auswirkung des Krieges auf Deutschland. Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der Artikel mit den Themen 'Gas' und 'Energie'.

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Die Zunahme dieser Debatte ist eine logische und nachvollziehbare Entwicklung. Allerdings ist auch deutlich sichtbar, dass die Zunahme der Diskussion teilweise auf Kosten der Ukraine-Berichterstattung geht. Das ist sehr problematisch, weil damit das Anliegen der Ukraine ebenfalls immer weiter aus dem Blickfeld gerät. Der Druck der Ukraine zu helfen schwindet somit bei der Politik, die sich mehr und mehr um Ursachenbekämpfung kümmert, anstatt die Wurzel des Problems zu packen und die Ukraine stärker zu unterstützen.

Zusammenfassung

Dieser Report zeigt die abnehmende Berichterstattung zum russischen Überfall auf die Ukraine. Die Anzahl an Artikeln, ebenso wie die Anzahl der Aufmacher sind in den sechs Monaten seit Kriegsbeginn stetig gesunken. Dies liegt unter anderem daran, dass die Debatte um den Krieg an sich, mehr und mehr zu einer Debatte um die Kriegsfolgen wird. Damit verringert sich der Druck bei der Politik die Ukraine mit weiteren Waffen zu unterstützen.

Methodik

Für diesen Report wurden die Überschriften und Teaser-Texte von fünf bedeutsamen Publishern in Deutschland vom 1. Januar 2022 bis zum 22. August 2022 ausgewertet. Die fünf Publisher sind BR24, Der Spiegel, Zeit Online, FAZ.net und Tagesschau.de. Diese Publisher wurden bewusst gewählt, da sie die öffentlich-rechtlichen, aber auch die privatwirtschaftlichen Publisher umfassen und so ein breites Bild der Berichterstattung, abseits des Boulevards, bieten.

Über diesen Artikel

Geschrieben von Stefan Paulus

Publiziert am: 8/23/2022, 1:00:00 PM

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